„Der Umgang der Stadt Bochum mit den Ergebnissen der Kommunalwahl hat uns schon verblüfft“, sagt Ratsmitglied Tim Pohlmann von der Unabhängigen Wählergemeinschaft UWG Freie Bürger. „Wir hatten in Wattenscheid ein drittes Mandat bei den ersten vorläufigen Ergebnissen nur um wenige Stimmen verfehlt. Durch den knappen Ausgang hätte das Wahlergebnis wesentlich beeinflusst und möglicherweise dem Wählerwillen nicht gerecht werden können.“
Exemplarisch hierfür verweist die UWG: Freie Bürger auf das Ergebnis des Stimmbezirkes 2703 (Höntrop-Süd/Sevinghausen), in welchem die UWG: Freie Bürger lediglich einen Stimmenanteil von 4,35 Prozent erhalten hat. Bei der AfD hingegen wurde ein Stimmenanteil von 10,70 Prozent festgestellt. In allen übrigen Wattenscheider Stimmbezirken war das Verhältnis nahezu umgekehrt.

Übertragungsfehler
Insbesondere bei den ausgezählten Briefwahlstimmen des Stimmbezirkes 9271 war das Verhältnis 14,5 Prozent für die UWG: Freie Bürger und 4,0 Prozent für die AfD. Dies legt die Vermutung nahe, dass die hier ausgezählten Stimmen falsch zugeordnet sein könnten. Fehler bei den übrigen Stimmbezirken seien daher nicht auszuschließen. Vor dem Wahlprüfungsausschuss erläuterte Ratsmitglied Jens Lücking den Antrag seiner Fraktion auf Neuauszählung: „2910 Stimmen konnten wir für uns verbuchen. Unterm Strich hätten uns gerade einmal zwölf Stimmen gefehlt, um wieder drei Sitze in der Bezirksvertretung Wattenscheid zu stellen statt nur zwei.“
Tatsächlich aber habe es zwischen dem vorläufigen Ergebnis der Ratswahl und dem amtlich bekannt gegebenen Ergebnis keine erheblichen Abweichungen gegeben, teilte Wahlleiter und Stadtdezernent Sebastian Kopietz der UWG: Freie Bürger mit. „Es sind vor der Sitzung des Wahlausschusses alle Niederschriften geprüft worden. Dabei wurde lediglich in wenigen Fällen kleinere Rechen- oder Übertragungsfehler zwischen den zunächst telefonisch übermittelten und den dann in den Niederschriften dokumentierten Ergebnissen festgestellt. Dies wurde auch vom Wahlausschuss so festgestellt und beschlossen.“

Neuer Zuschnitt der Wahlbezirke
„Wir haben uns trotzdem dazu entschlossen, uns die Ergebnisse in allen Bochumer Wahlbezirken noch einmal intensiver anzuschauen und waren irritiert, dass einzelne Stimmbezirke nicht mehr gelistet bzw. mit Briefwahlbezirken zusammengelegt worden waren, was sicherlich dem neuen Zuschnitt der Wahlbezirke geschuldet war. Allerdings hätten die Änderungen deutlich kommuniziert werden müssen. Das ist nicht geschehen. Eine substantielle Überprüfung war unter anderem somit wegen des Fehlens der Stimmanteile für uns nicht möglich“, so Tim Pohlmann.
Im Wahlprüfungssausschuss am 3.12.2020 berichtete das Wahlbüro in einer Präsentation über den Ablauf und die Ermittlung der Wahlergebnisse. „Allerdings fanden sich in dieser Präsentation falsche Zahlen für den Stimmbezirk 2404“, sagt Ratsmitglied Jens Lücking. „Es gab Abweichungen in den Zahlen der Schnellmeldung und denen in der Niederschrift. Und hier sprechen wir zum Teil parteiübergreifend von über 40 Stimmen bei einer Gesamtstimmenzahl von 335.“

Übermittlungsfehler
Die Verwaltung räumte ein, dass es Übermittlungsfehler gegeben hätte. Warum die im Rahmen der Prüfung der Niederschriften tatsächlich korrigierten Zahlen nicht in die Gesamtdaten übernommen wurden, könne letztlich nicht nachvollzogen werden. Es seien sowohl ein technischer Fehler der eingesetzten Software wie auch menschliches Versagen bei der Speicherung der Daten nicht sicher auszuschließen. Die Verwaltung weiter: „Sicherheitshalber wurden durch das Wahlbüro daraufhin sämtliche Stimmbezirksergebnisse für den Stadtbezirk Wattenscheid noch einmal auf mögliche Übertragungsfehler überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass es sich bei diesem Fall eindeutig um einen Einzelfall gehandelt hat. Im Ergebnis wurde damit durch den Wahlausschuss bei der Feststellung des Gesamtergebnisses das nicht richtige Ergebnis für den Stimmbezirk 2404 mit beschlossen.“

Neuauszählung wurde abgelehnt
Der Rat folgte im Dezember der Einschätzung der Verwaltung und lehnte die von der UWG: Freie Bürger geforderte Neuauszählung ab. „Wir wollen aber nun kein großes Fass aufmachen, haben auch letztlich von einer Klage vor dem Verwaltungsgericht abgesehen. Wir leisten lieber politische Überzeugungsarbeit bei den Bürger*innen, um unsere Ziele durchzusetzen“, sagt Ratsmitglied Hans-Josef Winkler, der sich für die Zukunft allerdings mehr Klarheit und Transparenz innerhalb des gesamten Wahl-Prozederes wünscht. „Wir haben daraus gelernt, dass wir zukünftig noch deutlicher hinschauen werden.“