Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, sehr spät im Jahr werden wir nun den Haushalt für die kommenden beiden Jahre 2023 und 2024 beraten und dann wohl auch verabschieden. Das Land Nordrhein-Westfalen-Westfalen sieht sich nicht in der Lage, aufgrund der erheblichen Risiken durch unsere Sicherheitslage, die Inflation, sowie die Energieversorgungslage, einen vollständigen Haushalt für das Jahr 2023 vorzulegen. Daher wird lediglich einen Rumpfhaushalt aufgestellt und zur Verabschiedung dem Parlament vorgelegt.

Wir hingegen in Bochum sehen uns sehr wohl in der Lage, einen Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 vorzulegen und zu verabschieden. Dies verwundert sehr, da die Lage in Bund und Land nicht von der Lage in unserer Kommune abweicht. Es erinnert mich ein wenig an einen Autofahrer, der vor sich eine Nebelwand auftauchen sieht. Der verantwortungsvolle Autofahrer wird vom Gas gehen und hoffen, dass er gut durch diese Nebelwand mit reduzierter Geschwindigkeit hindurch kommt. Die Mehrheit im Bochumer Rat allerdings sieht sich in der Lage, mit Vollgas durch die Nebelwand zu fahren, in der Hoffnung, dass schon alles gut gehen werde.

Meine Damen und Herren, dies halten wir als Ratsfraktion UWG: Freie Bürger für nicht verantwortbar und geradezu töricht. Zudem sind unsere Haushaltsberatungen nur deswegen erst so spät in diesem Jahr aufgenommen worden, da wesentliche Eckdaten zum Haushalt, wie beispielsweise die Steuerschätzung, erst kürzlich bekannt gegeben wurden. Aufgrund dieser Änderungen der Steuerschätzung und der Orientierungsdaten wurde unser Haushalt für die Jahre 2023 und 2024 von der Kämmerei noch einmal mit Veränderungsnachweisen überarbeitet. Negative Abweichungen von 40 Mio. bis 50 Mio. Euro wurden allerdings derart kompensiert, das das Ergebnis unter dem Strich in den Jahren 2023 und 2024 unverändert blieb.

Das grenzt schon an Zauberei, weil die Mehrheitsfraktionen in den Haushaltsberatungen im Haupt- und Finanzausschuss sämtliche Änderungsanträge, auch solche mit einem Volumen von unter 10.000 Euro ablehnten mit dem Hinweis, dass der ausgeglichene Haushalt ansonsten gefährdet wäre. Warum zusätzliche Ausgaben von unter 10.000 Euro den Haushaltsausgleich gefährden, eine Verschlechterung von 50 Mio Euro allerdings aufgefangen werden kann, bleibt das Geheimnis der Koalition. Sie haben erst gar keine eigenen Anträge gestellt und so eigene Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben und damit auf ihr Kontroll- und Gestaltungsrecht verzichtet. Somit werden wir mit Mehrheit heute alle Vorschläge der Verwaltung absegnen, womit die Koalition in den Jahren 2023 und 2024 als gestaltende Kraft, wie sie sich gern selbst darstellt, komplett ausfällt. Zumindest in den im nächsten Jahr sicherlich stattfindenden Beratungen eines Nachtragshaushaltes können dann die Koalitionäre, so sie es denn wollen, vielleicht wieder mitgestalten.

Meine Damen und Herren, seit Jahren warnen wir davor, dass steigende Zinsen, bei der uns drückenden Schuldenlast, die prognostizierten Jahresergebnisse erheblich negativ beeinflussen werden. Die letzte Zinsanhebung der EZB wird auch wegen des globalen Umfeldes nicht die letzte gewesen sein und uns daher empfindlich treffen. Steigende Energiekosten tun ihr Übriges und sind derzeit nicht vorhersehbar. Zudem wird die wirtschaftliche Eintrübung sich mit zahlreichen Insolvenzen negativ auf die Gewerbesteuereinnahmen in Bochum auswirken. Dies alles kann nicht für 2 Jahre geplant werden. Städtische Beteiligungen zum Beispiel können seriös nur das kommende Jahr planen, Mittelfristplanungen sind eher vage. Daher ist die hier vorgelegte mittelfristige Finanzplanung eher ein Blick in die Glaskugel denn ein seriöser Ausblick.

Es gibt allerdings auch gute Entwicklungen in den vergangenen Jahren, die sich auch in diesem Haushalt wiederfinden. So ist etwa der Ausbau des Lohrheidestadions zu einem Schmuckkästchen der Leichtathletik sowie einer Eventbühne zu nennen. Hier darf allerdings auch die weitere Entwicklung des angrenzenden Olympiastützpunktes nicht aus den Augen gelassen werden. Die Renovierung der Waldbühne in Höntrop war lange Zeit ein Ringen und Würgen, nun aber mit Landesmitteln in greifbarer Nähe. Ein solches Kleinod in unserer Stadt muss erhalten bleiben. Das ISEK Wattenscheid kommt voran und wird hoffentlich auch die Sozialstruktur nachhaltig verbessern. Die geplante Umgestaltung des August-Bebel-Platzes als autofreie Verweilattraktion findet allerdings weder unsere, noch die Zustimmung der Anwohner. Verkehrliche Notwendigkeiten wurden hier einfach ignoriert und werden zu einer erheblichen Belastung in den kleineren Straßen des Umfeldes führen.

Meine Damen und Herren, wir freuen uns auch, dass einige unserer Vorschläge umgesetzt wurden. So gibt es nun einen zentralen Einkauf, der erhebliche Ersparnisse bei der Beschaffung generiert. Zudem wurde die  Zusammenfassung der Zuständigkeiten für Schulen endlich umgesetzt und so eine bessere Planung und Beschaffung aus einer Hand realisiert. Das Haus des Wissens, an sich eine gute Idee, wird immer mehr zum Streitpunkt im Rat und der Stadtgesellschaft. Noch 2019 hat sich die Fraktion UWG:Freie Bürger in den Haushaltsplanberatungen für das Haus des Wissens als ein mutiges und ambitioniertes Projekt ausgesprochen. Allerdings haben wir damals bereits darauf hingewiesen, dass der Kostenrahmen unbedingt eingehalten werden muss. Zitat: “Wir werden interessiert und kritisch das weitere Vorgehen begleiten“. Dies haben wir getan und sind bei den mittlerweile 154 Mio. Euro Kosten, bei denen Zins- und Baukostensteigerungen nur unzureichend berücksichtigt wurden, zu dem Ergebnis gekommen, dass man sich alles wünschen, aber nicht alles bekommen kann. Das war übrigens ein guter Spruch meiner Oma in Bezug auf Weihnachtsgeschenke, der hier gut passt.

Bei den Herausforderungen, vor denen Bochum steht, den unsicheren Zeiten, in denen wir die Heizung herunterdrehen müssen und die Tafeln den Ansturm der Bedürftigen kaum mehr bewältigen können, ist es ein fataler Fehler, an einem solchen Leuchtturmprojekt festzuhalten. In der Verkehrspolitik machen wir seit Jahren dieselben Fehler. Während Fußgänger nahezu ignoriert werden, bekommen Radfahrer den roten Teppich ausgelegt. Dies kann man anhand von Zahlen gut belegen. Für die Instandhaltung und den Bau von Fußgängerwegen werden in den nächsten beiden Jahren knapp 800.000 Euro ausgegeben. Dem stehen 500.000 Euro jährlich nur für Machbarkeitsstudien für neue Radwege gegenüber. Für den Neu- und Ausbau gibt es Millionen. An Menschen mit Handicap, Eltern mit Kinderwagen, Rollator- oder Rollstuhlfahrer wird gar nicht mehr gedacht in dieser angeblich so inklusiven Stadt.

Alle Verkehrsträger müssen gleichermaßen berücksichtigt werden damit der sogenannte Modal Split, ein Miteinander verschiedener Mobilitätsarten, überhaupt einen Sinn ergibt. Mehr Verständnis füreinander ist übrigens der Schlüssel für mehr Verkehrssicherheit und einen guten Umgang miteinander. Das Ausspielen zum Beispiel von Radfahrern gegen Autofahrer oder auch gegen Fußgänger trägt dazu ebenso wenig bei, wie in Wildwest-Manier auf Fußwegen oder über rote Ampeln fahrende Radler, die zunehmend häufiger zu beobachten sind. In der Schulpolitik sieht man mittlerweile die Folgen der fehlerhaften Einschätzung der Schülerzahlen in der Vergangenheit.

Zahlreiche Grundschulen wurden geschlossen und zum Teil abgerissen oder einer anderen Verwendung zugeführt. Durch Migration und Bevölkerungsentwicklung sind die Schülerzahlen in den letzten Jahren stark angestiegen. Sinkende Bereitschaft, den Lehrerberuf zu ergreifen, hohe Krankenstände und unzureichende Betreuung sind das Eine, fehlende Räumlichkeiten aufgrund der Fehleinschätzung der vergangenen Jahre das Andere. Die Nutzung von Kellerräumen für Unterricht oder das Aufstellen von Containern sind nicht die Lösung. Schulneubauten und, wo noch möglich, Reaktivierung von aufgegebenen Schulgebäuden ist das Gebot der Stunde. Gerade in Wattenscheid wurden in den letzten Jahren die meisten Grundschulen im Stadtgebiet geschlossen, was sich nun bitter rächt.

Meine Damen und Herren, ein leidiges Thema ist das Bäderkonzept der Wasserwelten Bochum. Ursprünglich war geplant, im Südpark Wattenscheid ein neues, hochmodernes Hallenfreibad neu zu bauen. Ein Bad mitten im Wald, wie es früher von vielen gern genutzt und geschätzt wurde, sollte wieder entstehen. Doch, so scheint es, wurden mit dem ehemalige Geschäftsführer der Wasserwelten, auch seine Pläne für ein Bad im Südpark über Bord geworfen. Uns besorgt das sehr, insbesondere das schleppende Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bezüglich der Nachbarschaftsklage gegen den Bauvorbescheid. Durch den Abriss des Hallenbades und die seitdem verstrichene Zeit wird ein Neubau immer unwahrscheinlicher. Plänen, nun auch die ehemalige Fläche des Freibades einzuebnen, erteilten wir nach diesen Erfahrungen eine eindeutige Absage.

Meine Damen und Herren, die durch den Ukrainekrieg Russlands verursachte Energiekrise trifft in Bochum die Bevölkerung genauso wie die Wirtschaft und die Verwaltung. Frühzeitig haben wir als UWG:Freie Bürger-Ratsfraktion einen Antrag gestellt, alle Akteure an einen Tisch zu holen, um Lösungen für die besonders Betroffenen zu erarbeiten. Dies wurde von der Mehrheit im Rat abgelehnt mit Blick auf die Zuständigkeit im Bund. Darauf zu warten hilft den Betroffenen nicht, für die wir gewählten Ratsmitglieder die Verantwortung tragen. Dieser wollten wir uns stellen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Mehrheit wollte das nicht.

Verantwortung im Rat zu tragen heißt eben nicht, den Haushalt der Verwaltung abzusegnen und in schwierigen Situationen auf die Zuständigkeit anderer zu verweisen, sondern anzupacken und Entscheidungen zu treffen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die uns gewählt haben. Der wahre Charakter zeigt sich eben nicht in einfachen Zeiten, sondern in der Krise. Die vielgelobte, und auch von uns damals geforderte Bochum Strategie als Zukunftsvision für diese Stadt hat sich verselbständigt und von einer Vision von Stadtgesellschaft, Verwaltung und Politik zu einem Geldbunker der Verwaltung geworden. Hohe Etatansätze stehen mittlerweile zur beliebigen Verfügung durch die Verwaltung und den Oberbürgermeister. So können beispielsweise, wie aus der Beantwortung einer Anfrage hervorgeht, jährlich 100.000 Euro für Werbemaßnahmen für das Haus des Wissens, auf englisch übrigens Future House Of Knowledge, ausgegeben werden. Der Strategiebeirat hat als Begleitgremium nur begrenzten Einfluss auf den Mittelabfluss. Hier werden wir in Zukunft genauer hinschauen und mehr Mitsprache der Politik einfordern.

Meine Damen und Herren, nun zur Entscheidung über den Stellenplan und den Haushalt 2023 und 2024: Wie bereits ausgeführt, ist ein Doppelhaushalt in diesen, durch Zinssteigerung, Kriegsfolgen, Energiekrise und Inflation gekennzeichneten Zeiten nicht verantwortbar. Die Personalkosten haben sich in den letzten Jahren erheblich erhöht, unabweisbare Personalmehrungen wurden nicht kritisch hinterfragt, insbesondere im Stab des Oberbürgermeisters. Zudem sind sie angesichts der sich abzeichnenden Tarifsteigerungen sowie des hohen Personalbestandes eher zu knapp bemessen. Die Kosten für das Haus des Wissens, allein in diesem Jahr 2,8 Mio., und wir haben noch gar nicht angefangen zu bauen, werden uns in den kommenden Jahren auf die Füße fallen und andere dringend notwendige Investitionen verhindern. 200 Mio. werden hierfür nicht ausreichen!

Meine Damen und Herren, auch wenn der Jahresabschluss 2021 uns erfreulicherweise noch Überschuss im Haushalt von 18 Mio. Euro ohne Coronabereinigung beschert hat , ist dies für die nächsten 2 Jahre nicht zu erwarten. Die falschen Schwerpunktsetzungen im Haushalt und die Aufstellung eines Doppelhaushaltes machen uns eine Zustimmung zu Stellenplan und Haushalt diesmal unmöglich, wir lehnen daher beides ab.