„Wir hinterfragen die von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch vorgegebene Zahl von mindestens 800 benötigten Wohnungen jährlich, da es dafür bisher keine empirische Grundlage gibt, und fordern eine Prüfung des Istzustandes im Bochumer Wohnungsmarkt“, betont Hans-Josef Winkler von der Ratsfraktion der UWG: Freie Bürger.

Außerdem, so Winkler, gebe es aktuell weitere Gründe, diese Zahl anzuzweifeln. „Die Corona-Pandemie hat die Prioritäten für Wohnraum verändert. Immer mehr Menschen aus dem Ruhrgebiet suchen in ländlichen Regionen nach Wohnraum. Die neue Sehnsucht nach Grünflächen ist ein Luxus, den Großstädte kaum noch erfüllen können.“ Nach Angaben des Portals „Immobilienscout24“ steige die Nachfrage nach Häusern in ländlichen Gebieten im Mai 2020 im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 50 Prozent. Das Portal habe darauf geschaut, wie viele Anfragen Immobilienverkäufer für ihr Objekt bekamen.

Winkler: „Die Pandemie zwingt die Menschen dazu, zu Hause zu bleiben – eine Tortur, die in vielen Fällen durch das Fehlen von Gärten oder Balkonen verschlimmert wurde, insbesondere für Familien mit Kindern. Und diejenigen mit Gärten oder Balkonen erkannten, wie nützlich es ist, gerade jetzt einen eigenen Freiraum zu haben. Darauf wollen sie auch in Zukunft nicht verzichten.“ Auch die Flexibilität der Arbeit von zu Hause aus beflügelt Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Home-Office-Arbeit könnte zukünftig zum neuen Standard werden.

All dies und noch einiges mehr hat die Ratsfraktion in ihrer Anfrage formuliert, die dem Ausschuss für Planung und Grundstücke voliegt, der am 26. Januar tagt. „Wir möchten gerne klären, inwieweit der Verwaltung dieser Trend bekannt ist und ob die aktuellen Entwicklungen Einfluss auf die im Handlungskonzept Wohnen dargestellten Ziele und Maßnahmen haben und ob überhaupt eine regelmäßige Überprüfung des Handlungskonzeptes stattfindet. Kurzum: Ist das 800-Wohnungen-Projekt noch realisierbar und zielführend?“

Durch die Pandemie könne es auch sein, glaubt Ratsmitglied Hans-Josef Winkler, dass Neuansiedlungen von Unternehmen ausbleiben und in der Folge keine weiteren Arbeitsplätze angeboten werden, sodass die Einwohnerzahl nicht weiter wachsen, sondern eher stagnieren wird. „Hinzu kommt, dass durch die Corona-Krise bestehende Arbeitsplätze in Bochum und Wattenscheid wegbrechen werden und den Menschen dann das Geld fehlt, um hochpreisige Neubauwohnungen bezahlen zu können. Wir befürworten ein Gesamtkonzept, dass unter anderem auch die Sanierung von Altbauten vorsieht. Bei allen Überlegungen ist jedoch die Ausweitung des Sozialwohnungsbestandes anzustreben. Und: Wohnen muss bezahlbar bleiben.“